Elizabeth Taylor

“Maritozza” tönt es lässig wie immer durch den Hörer. “Meyer sagt, Du sollst Dich um Elizabeth Taylor kümmern. Dienstag Nachmittag ab fünfzehn Uhr”. Hä??? Du bist ja wieder gut drauf, antworte ich meinem Kollegen von der Récéption. Was soll das? Kopfschütteln durch das Telefon. “Nee, im Ernst. Die ist auf dem Weg zur Biennale in Venedig und macht hier einen Zwischenstopp für drei Stunden. Irgend jemand muss sich um sie kümmern und Meyer meint, Du wärst die Richtige dafür, auch wegen dem Englisch und so”. Und so? Meyer ist unser Chef, hoch geschätzter Hoteldirektor, ein Gentleman der alten Schule und “figlio d'arte” wie es so schön im Italienischen heisst. Das bedeutet, er stammt aus einer Hoteliersfamilie und hat den Beruf mit der Muttermilch aufgesogen. Ich beende das Telefonat und renne zum Empfang um mehr zu erfahren. Dienstag, kurz vor drei Uhr am Flughafen Agno Lugano. Ich stehe mit einem Blumenstrauß in der Hand vor dem Checkout Schalter, brav im Kostüm, wie es sich für die gehobene Hotellerie gehört und warte auf einen Weltstar. Der Weltstar kommt, zieht mit winzigen Tippelschritten zwei Kläffer und einen texasgrinsenden, kaugummifressenden Rotschopf mit viel Bauch hinter sich her. Vor mir steht Mrs. Taylor, sie reicht mir knapp ans Kinn; ihr Gesicht ist aufgedunsen und stark geschminkt, die berühmten Veilchenaugen sieht man fast nicht. Mrs. Taylor bedankt sich brav für die Blumen und wir bewegen uns im Zeitlupentempo zum Hotel, in die Bar, an diesem Nachmittag geschlossen und nur für Madame reserviert. Madame richtet sich an ihre Sekretärin, eine attraktive Italienerin mit wachem Blick, virtuos mehrsprachig und offensichtlich ihr Faktotum, zuständig für alles und jeden, der mit der Schauspielerin zu tun hat. “Die Hunde haben Durst, bitte besorge ein paar Flaschen Evian”. Ich, damals 31 und meistens pleite, bekomme kreisrunde Augen. Evian für die Hunde? Na warte. Stracks sprinte ich zur Küche, ausgestorben um diese Zeit, und krame zwei leere Flaschen Evian aus der Kiste, fülle sie mit Leitungswasser und bringe sie den Herrschaften. Die Hunde saufen und rollen sich anschliessend zufrieden vor die winzig kleinen Füsse der Diva. “I'd like to go to the toilet” seufzt jene und schaut den Rotschopf herrisch an. Jetzt erst wird mir klar, dass es sich um ihren x-ten Ehegatten handelt, Larry irgendwas, von Beruf Maurer. Larry Rotschopf, dessen derbe Pranken mir ins Auge stechen, schnappt sich die Vierbeiner und trottelt hinter Frau Taylor her. Vor dem Klo schiebt er Wache und begleitet sie dann wieder auf ihren Platz. Ich versuche eine Unterhaltung in Gang zu bringen, werde aber von Madames Wunsch nach “etwas Salzigem und Coca-Cola” unterbrochen. Ab in die Küche. Die nächsten Stunden fliessen zäh dahin, die einzig interessante Person ist das Faktotum während ihre Arbeitgeberin lustlos, schläfrig und gelangweilt im Sessel fläzt. Larry hat sowieso die Klappe zu halten. Gott, bin ich froh, als die Truppe endlich zum Flieger nach Venedig aufbricht. Zum Abschied schenkt mir Mrs. Taylor den Blumenstrauss; sie weiss nicht wohin damit. Sie bedankt sich artig und schleppt sich die Gangway hoch. Winke, winke und Hollywood ist weg. Die Blumen habe ich noch eine Zeitlang in Ehren gehalten, der Glanz der Filmbranche hatte das Leuchten leider verloren. Leinwandgöttinnen sind im wahren Leben genau so arme Säue wie Unsereins. Später erfuhr ich, dass Mrs. Veilchenauge gerade aus dem Entzug gekommen war - zusammen mit Larryschatz. Ach ja - Divenschicksal.

Marita